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16.09.2020

Abbau und Handel mit Natursteinen erstrecken sich über den gesamten Globus. Bei der Gewinnung und Verarbeitung von Natursteinen werden nicht selten zentrale Arbeits- und Menschenrechte verletzt. Arbeits-, Sicherheits- und Umweltstandards in Steinbrüchen und steinverarbeitenden Betrieben entsprechen nicht überall den z.B. in Deutschland geltenden Standards. Abbau und Transporte führen zudem zu Emissionen und haben Auswirkungen auf Klima und Umwelt.

Öffentliche Auftraggeber*innen, wie zum Beispiel Kommunen, beschaffen Natursteine für Bauvorhaben (u.a. Pflaster, Bordsteinprofile, Granitpoller). Dabei unterliegen sie dem Vergaberecht. Im Hinblick auf die Einhaltung sozialer und ökologischer Kriterien, wie zum Beispiel der ILO-Kernarbeitsnormen, ist die Nachweisführung gerade bei einem entfernteren Herkunftsort eine praktische Herausforderung im Vergabeverfahren. Vor diesem Hintergrund hätte die Beschaffung von Natursteinen aus regionalen oder zumindest aus europäischen Steinbrüchen Vorteile.

Aufgrund des Volumens und des Gewichts von Natursteinen verursachen die Transportwege nicht unerhebliche Transportemissionen (siehe Artikel von Reiner Krug in dieser Publikation).

Ob und wie die Transportentfernung und/oder Transportemissionen bei der Beschaffung von Natursteinen durch öffentliche Auftraggeber*innen in Vergabeverfahren Berücksichtigung finden können, war Gegenstand eines Workshops auf der Fachkonferenz „Natursteine aus verantwortlichen Lieferketten“ im September 2020 in Stuttgart und einer vergaberechtlichen Stellungnahme, die WMRC Rechtsanwälte 2019/2020 für WEED e.V. erstellt haben. In diesem Beitrag werden die wesentlichen Gesichtspunkte und Ergebnisse der Diskussion, die in diesem Rahmen stattgefunden hat, zusammengefasst.

Vergaberechtliche Eckpunkte

Transportemissionen und Transportentfernung als Kriterium in einem Vergabeverfahren sind den allgemeinen vergaberechtlichen Grenzen unterworfen. Voraussetzung für die Berücksichtigung von Anforderungen an den Beschaffungsgegenstand sind

eine Verbindung zum Auftragsgegenstand,

die hinreichend bestimmte und transparente Darstellung in den Vergabeunterlagen und

die Möglichkeit der Überprüfung durch den/die Auftraggeber*in.

Dies ergibt sich u.a. aus § 122 Abs. 4, § 127 Abs. 3, § 128 Abs. 2 GWB und gilt unabhängig davon, ob ein Kriterium als verbindliches Leistungsmerkmal oder als eines von mehreren Auswahlkriterien bei der Zuschlagsentscheidung festgelegt wird.

Die öffentlichen Auftraggeber*innen müssen sich bei der Beschaffung von Natursteinen bei der Erstellung der Leistungsbeschreibung damit auseinandersetzen, welche Eigenschaften sie vorgeben und ob dies Einfluss auf den Herkunftsort des Materials hat.

Vorgaben in Vergabeunterlagen, die bestimmte Herkunftsorte ausschließen, oder Vorgaben, nach denen der Beschaffungsgegenstand von einem bestimmten Herkunftsort stammen muss, sind vergaberechtlich nur im Ausnahmefall möglich und bedürfen einer sachlichen Rechtfertigung durch den Auftragsgegenstand. Das ist im Hinblick auf regionale Vorgaben regelmäßig nicht oder nur unter engen Voraussetzungen vergaberechtssicher umsetzbar. Denkbar ist dies in besonderen Fällen, wenn zum Beispiel aus Gründen des Denkmalschutzes ein bestimmter Stein verwendet werden soll.

Berücksichtigung der Transportentfernung bei der Zuschlagsentscheidung

Die Berücksichtigung von Transportemissionen und Transportentfernung bei der Zuschlagsentscheidung greift weniger stark in den Wettbewerb ein als die Vorgabe eines bestimmten Herkunftsorts.

Eine Berücksichtigung der Trans-portentfernung in Vergabeverfahren bei der Zuschlagsentscheidung ist durch die Rechtsprechung bereits mehrfach anerkannt worden. Ökologische Auswirkungen des Transports sind ein umweltbezogenes Kriterium im Sinne von § 58 Abs. 2 S.2 Hs. 1 VgV bzw. § 16 EU Abs. 2 Nr. 2a VOB/A. Nach unserem Verständnis kann die Transportentfernung als solche aber auch als eine Prognose der CO2-Emissionen herangezogen werden. Ob der/die Auftraggeber*in bei der Bewertung auf die Transportentfernung abstellt oder Emissionen berechnet und bewertet, dürfte ihm bzw. ihr überlassen sein. Die Vorgehensweise muss sich aber aus den Vergabeunterlagen ergeben und in den Unterlagen eindeutig definiert werden, damit die Bieter*innen eindeutige Angaben zur Transportentfernung und ggf. zum Transportmittel machen (können).

Angaben der Bieter*innen

Bei der Ausgestaltung der Vergabeunterlagen muss der/die Auftraggeber*in berücksichtigen, welche Angaben er/sie von den Bieter*innen benötigt, um eine Bewertung anhand der Zuschlagskriterien – hier der Transportentfernung – durchzuführen. Dabei kann es nur um eine Prognose der voraussichtlichen Transporte gehen.

Die Eckpunkte und den Rahmen dafür legt der/die Auftraggeber*in in den Vergabeunterlagen fest. Die Vergabekammer Karlsruhe hat bereits eine Ausschreibung beanstandet, in der genaue und richtige Angaben verlangt wurden, die schlechterdings nicht gemacht werden konnten (Angabe der individuellen, tatsächlichen Verbräuche je Fahrzeugeinsatzstunde je Fahrzeugtyp auf den Liter und die Stunde genau, VK Karlsruhe, 22.02.2017 – 1 VK 6/17).

Die von den Bieter*innen geforderten Angaben müssen objektiv überprüfbar und vergleichbar sein. Der/die Auftraggeber*in muss hierfür einheitliche Maßstäbe aufstellen: Wenn ein*e Bieter*in die Transporte vom Steinbruch zum verarbeitenden Betrieb in die Transportentfernung einbezieht und ein*e andere*r nicht, sind die Angebote nicht vergleichbar.

Für eine Berechnung der Transportentfernung aller Angebote ist deshalb die Abfrage mindestens folgender Angaben durch den/die Auftraggeber*in bei dem/der Bieter*in erforderlich:

Festlegung der Einheiten, in denen die Transportentfernungen angegeben werden (bezogen auf Menge – km/Mg),

Definition der Transportwege und Teilstrecken, separate Angabe der Transportentfernung für Teilstrecken, separat anhand der exakt zu bestimmenden Koordinaten oder der Adresse des Start- und Zielpunktes,

Festlegung, wie die Transportentfernung ermittelt und ggf. überprüft wird. Wird zum Beispiel ein Routenplaner zugrunde gelegt, muss dieser einheitlich vorgegeben werden, da unterschiedliche Routenplaner zu verschiedenen Ergebnissen führen können. Zu berücksichtigen ist, dass gängige Straßen-Routenplaner keine Schiffsrouten in die Routenplanung einbeziehen. Es muss auch festgelegt werden, ob der tatsächliche Transportweg oder eine angenommene Route im Angebot berücksichtigt wird (z. B. schnellste Route, kürzeste Route, günstigste Route).

Sofern auch der Einsatz unterschiedlicher Transportmittel berücksichtigt werden soll (aufgrund unterschiedlicher Transportemissionen von Lkw, Bahn, Schiff): Angabe des Transportmittels für die jeweilige Strecke.

Die Komplexität erhöht sich, wenn nicht nur auf die Transportentfernung abgestellt wird, sondern auf die Emissionen.

Die Berechnungsmethode für die bei der Zuschlagsentscheidung relevante Transportentfernung sollten die Bieter*innen den Vergabeunterlagen entnehmen können. Wenn allgemeingültige Berechnungsformeln oder Normen für Transportweg oder auch die Transportemissionen zur Verfügung stehen, trägt deren Zugrundelegung zur Rechtssicherheit des Vergabeverfahrens bei.

Bewertungsmatrix

Bei den meisten Vergabeverfahren wird die Transportentfernung nicht das einzige Zuschlagskriterium sein. Für die Bewertung muss eine Methode festgelegt und den Bieter*innen mitgeteilt werden, die die Transportentfernung bzw. die Transportemissionen ins Verhältnis zu anderen Zuschlagskriterien, z. B. zum Preis, setzt. Verschiedene Modelle sind denkbar und vergaberechtlich erprobt.

Der/die Auftraggeber*in muss eine Entscheidung über eine angemessene Gewichtung des Kriteriums der Transportentfernung im Verhältnis zu anderen Kriterien treffen. Dabei können nach unserem Verständnis auch externe Effekte wie Klimafolgekosten oder wirtschaftliche Vorteile bei einer Produktion von Steinen in Ländern mit niedrigeren Umweltstandards eine Rolle spielen.

Der/die Auftraggeber*in sollte die Methode zur Bewertung anhand der erwarteten Angebotsparameter vor dem Beginn des Vergabeverfahrens im Hinblick auf ihre Praktikabilität und die Aussagekraft der Ergebnisse beispielhaft überprüfen. So gelangt man zum Beispiel zu unterschiedlichen Ergebnissen je nachdem, ob die Bewertung der Transportentfernung/Transportemissionen relativ zum kürzesten angebotenen Transportweg oder im Verhältnis zu einer vorgegebenen Standard-Transportentfernung bewertet wird.

Fazit

Die Berücksichtigung von Transportentfernungen und Transportemissionen bei der Beschaffung von Natursteinen ist vergaberechtlich zulässig. Die rechtssichere Umsetzung setzt eine Auseinandersetzung mit üblichen Transportwegen voraus und verlangt eine eindeutige Definition. Wird dies berücksichtigt, erfüllt ein Vergabeverfahren, in dem die Transportentfernung von Natursteinen ein Zuschlagskriterium ist, die vergaberechtlichen Grundsätze des Wettbewerbs, der Nichtdiskriminierung und der Transparenz.

vgl. Broschüre von WEED/WÖK:

Natursteine aus globalen Lieferketten - so kann Beschaffung nachhaltig gelingen